Macht in den USA ein Schutzrechtsinhaber ein Schutzrecht gegenüber einem Dritten im Rahmen einer Verwarnung geltend, so bleibt dies für den Schutzrechtsinhaber auch dann ohne Kostenrisiko, wenn sich später herausstellen sollte, dass die Verwarnung ungerechtfertigt war (beispielsweise weil das Schutzrecht nicht rechtsbeständig oder die angegriffene Ausführungsform nicht umfasst ist).
Anders in Deutschland, wo die Rechtsprechung bisher eine Risikoverteilung dadurch vorgenommen hat, dass dem ungerechtfertigt Verwarnten ein Schadensersatzanspruch für diesen Eingriff in seinen Gewerbebetrieb gegen den Verwarnenden dann zustehen kann, wenn der Verwarnende vor der Verwarnung Bestand und Umfang seines Schutzrechts nicht mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt geprüft hat. Über diese Grundsätze war in jüngster Vergangenheit in der Literatur ein Meinungsstreit entstanden.
Der Große Senat des Bundesgerichtshofs hat nun entschieden, dass die Aufgabe dieser Grundsätze nicht geboten sei. Wegen der von einer Verwarnung aus Immaterialgüterrechten ausgehenden Gefahr für Wirtschaft und Wettbewerb bedürfe es weiterhin einer Sanktion in Form einer Haftungsfolge für unberechtigte Verwarnungen. Nur eine derartige Sanktion hält den Schutzrechtsinhaber an, vor einer Unterlassungsaufforderung die gebotenen, von ihm zu erwartenden und ihm zumutbaren Prüfungen zur Berechtigung seines Verlangens vorzunehmen. Auf diese Weise würden der Schutz der geistigen Leistung einerseits und die Freiheit des Wettbewerbs andererseits, die durch die Grenzen des Schutzbereichs objektiv voneinander abgegrenzt werden, auch hinsichtlich der Mittel ihrer Durchsetzung und der Haftung für die Überschreitung dieser Grenzen ins Gleichgewicht gebracht.
Beschluss des BGH vom 15. Juli 2005 - Aktenzeichen GSZ 1/04